Durchsuchung rechtswidrig? Inhaber des betroffenen Internetanschlusses

Unter der Wohnanschrift sind mehrere Personen amtlich gemeldet: Ist eine Beschwerde gegen die Durchsuchung erfolgversprechend?

§ 304 StPO (Strafprozeßordnung)

Ist eine Durchsuchung rechtswidrig? Folgender Sachverhalt ist Ausgangspunkt für diese Frage:

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornographischer Schriften (§184b StBG). Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im März 2021 teilte das National Center For Missing und Exploited Children (NCMEC) dem BKA mit, dass ein bislang unbekannter Nutzer des Internetdienstes „Imgur” unter Nutzung der ihm zugeordneten IP-Adresse nach der Bewertung des NCMEC kinderpornographische Schriften ins Internet hochgeladen habe.

Jetzt schaltet sich das LKA ein:

Nach Ermittlungen des LKA (Landeskriminalamtes) konnte festgestellt werden, dass unter der Wohnanschrift des Beschuldigten sechs weitere Personen gemeldet sind.

Nach der Einschätzung des LKA handelte es sich bei den in Rede stehenden Schriften bei zwei Bilddateien um Kinderpornografie gemäß § 184b StGB. Es bestehe nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen der Verdacht, dass der Beschuldigte unter anderem im Besitz von zwei kinderpornographischen Bilddateien sei und diese verbreitet habe. Es sei nach kriminalpolizeilicher Erfahrung auch davon auszugehen, dass der Beschuldigte weiter im Besitz dieser Inhalte sei. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse sei zu vermuten, dass eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume zur Auffindung von Beweismitteln führen und die Beweislage damit verbessern werde. In der Folge regte das LKA die Beantragung eines Durchsuchungsbeschluss an.

Die Staatsanwaltschaft beantragt einen Durchsuchungsbeschluss:

Das Amtsgericht ordnete auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 102105 StPO die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, der Wohnung und der sonstigen Räume einschließlich der dazugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Kraftfahrzeuge und Garagen des Beschuldigten zur Auffindung von Beweismitteln an. Die Durchsuchung habe den Zweck, für die Ermittlung erforderliche Beweismittel (Computer, Laptops, Mobiltelefone und Speichermedien aller Art) aufzufinden. Zudem ordnete das Amtsgericht mit gleichem Beschluss die Beschlagnahme der Beweismittel an. Der Beschluss wurde damit begründet, dass der Beschuldigte einer Straftat nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB hinreichend tatverdächtig sei. Die Zugangsnummer der, Tatzeit generierten, IP- Adresse laute pp. Eine Bestandsdatenabfrage zu der E-Mail-Adresse habe zu dem Ergebnis geführt, dass diese auf die Personalien des Beschuldigten registriert sei. Zwar seien an der Wohnanschrift des Beschuldigten weitere Personen gemeldet. Indes bestehe mangels Nutzernamens bei „Imgur” oder anderer weiterer Informationen aktuell kein Anfangsverdacht gegen andere an der Anschrift gemeldete Personen.

Die angeordnete Durchsuchung wurde vollzogen.

Möglichkeit für den Beschuldigten/ Betroffenen:

1. Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss einlegen

2. Feststellung durch ein Gericht: Durchsuchung rechtswidrig!

Durchsuchung?

Rechtswidrig?

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Jan Marx Fachanwalt für Strafrecht e1589359089642
Durchsuchung rechtswidrig

Argumente für die Rechtswidrigkeit

Das Landgericht Detmold hat sich mit der vorgenannten Problematik auseinandergesetzt und zugunsten des Beschuldigten entschieden (LG Detmold, Beschluss vom 04.12.2021 – 23 Qs 22 Js 1368/21)

Die gemäß § 304 StPO grundsätzlich statthafte Beschwerde ist nach erfolgter Vollziehung der Durchsuchung mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung festzustellen, zulässig und in der Sache begründet. Die Anordnung der Durchsuchung war nach der zur Zeit der Anordnung gegebenen Sach-und Rechtslage rechtswidrig.

Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte müssen nachvollziehbar sein!

Lag ein ausreichender Anfangsverdacht wirklich vor? Nein!
Ergebnis: Durchsuchung rechtswridig!

Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Durchsuchung und Durchsicht dürfen nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Verdacht bereits voraus.

Gemessen an diesen Grundsätzen lag im Zeitpunkt der Beschlussfassung kein erforderlicher Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten vor. Nach dem damaligen Ermittlungsergebnis gab es im Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür, dass der Beschuldigte unerlaubt kinderpornographische Schriften über den Internetdienst „Imgur” verbreitet hatte.

Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen konnte lediglich festgestellt werden, dass die zwei gegenständlichen Bilddateien über den Intemetanschluss des Beschuldigten hochgeladen wurden. Unter dessen Wohnanschrift sind jedoch weitere sechs Personen amtlich gemeldet, die potentiell alle als Tatverdächtige in Betracht kommen. Hinzu kommt, dass die Zugangsnummer der Tatzeit generierten IP-Adresse lautete. Das Kürzel pp. könnte jedoch auf den Nachname und damit auf eine mit diesem Nachnamen unter der Wohnanschrift des Beschuldigten gemeldete Person hindeuten. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschuldigte — immerhin bereits 75 Jahre alt und daher mit Hentai-Pornografie vermutlich eher weniger vertraut — bislang weder strafrechtlich noch kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten ist.

2. Mit Rücksicht auf die vorstehend dargestellte Schwäche des Tatverdachts dürfte die Durchsuchungsanordnung auch außer Verhältnis zur Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs gestanden haben. Wegen des geringen Gewichts der Umstände, welche auf eine Täterschaft des Beschuldigten hinwiesen, und vor dem Hintergrund, dass es sich bei den hochgeladenen Inhalten lediglich um zwei Bilder der sogenannten Hentai-Pornografie handelte, dürften vielmehr vor der Anordnung einer in die Grundrechte des Beschuldigten schwerwiegend eingreifenden Durchsuchung andere, grundrechtsschonende Ermittlungsschritte vorzunehmen gewesen sein, um den allenfalls geringen Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer zu erhärten oder endgültig zu zerstreuen, zumal eine besondere Eilbedürftigkeit nicht zu erkennen ist.

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