Erkennungsdienstliche Behandlung bei der Polizei, § 81b Alt. 2 StPO

Wann kann die Polizei eine solche erkennungsdienstliche Behandlung anordnen?

§ 80 Abs 3 VwGO§ 80 Abs 5 VwGO§ 37 Abs 1 VwVfG, § 81b StPO, § 184b StGB

Folgende Ausgangsposition für den Betroffenen:

Die Polizei ordnet dem Beschuldigten in einem Verfahren mit dem Tatvorwurf des § 184b StGB gegenüber an, dass er sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat.

Rechtsgrundlage für Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist § 81b Alt. 2 Strafprozessordnung (StPO). Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. 

Das Verwaltungsgericht Cottbus hat sich nunmehr zu den Voraussetzungen einer erkennungsdienstlichen Behandlung geäußert:

Im Zusammenhang mit Sexualdelikten sei es in der Regel gerechtfertigt, eine höhere Rückfallgefahr anzunehmen.

Prüfung der Verhätlnismäßigkeit einer Maßnahme

1. Die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen hat durch eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Kriminalitätsbekämpfung und dem persönlichen Interesse des Betroffenen zu erfolgen, nicht ungerechtfertigt zum Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens zu werden.

2. Bei Sexualdelikten ist es in der Regel gerechtfertigt, eine höhere Rückfallgefahr anzunehmen.

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Notwendigkeit einer solchen Maßnahme

Der in § 81b 2. Alt. StPO enthaltene Begriff der Notwendigkeit ist bei der Beurteilung des Einzelfalles dasjenige Tatbestandsmerkmal, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt und eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Bekämpfung der Kriminalität und dem persönlichen Interesse des Betroffenen erfordert, nicht aufgrund erkennungsdienstlicher Unterlagen ungerechtfertigt in Ermittlungsverfahren verwickelt zu werden mit den vielfältigen sich daraus ergebenden Folgen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Polizei nicht jeden, der einmal aufgefallen oder angezeigt worden ist, bereits deswegen als potenziellen Rechtsbrecher erkennungsdienstlich behandeln darf, muss sich die Notwendigkeit im Sinne des § 81b 2. Alt. StPO danach richten, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte, und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betreffenden schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten (BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2018 – 6 C 39/16).

Kriterien für die prognostizierende Wiederholungswahrscheinlichkeit sind insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen (Anlass-) Ermittlungs- bzw. Strafverfahren zur Last gelegten Taten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982 – 1 C 29/79; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juni 2016 – OVG 1 S 71.15).

Der Verhältnismäßigkeitsgerundsatz

Erkennungsdienstliche Behandlung, 81b StPO 2. Alternative

Darüber hinaus muss eine Durchsuchung selbst bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verhältnismäßig sein. Hierzu gehört insbesondere, dass sie mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck erfolgversprechend ist. Insbesondere bedarf es dabei einer Abwägung der Erfolgsaussichten mit der Schwere des Grundrechtseingriffs. Die Erfolgsaussichten des Auffindens von Beweismitteln waren hier als gering einzuschätzen. Der Vorgang lag schon mehr als ein Jahr zurück, es spricht also schon einiges dafür, dass der Chatinhalt in der Whatsapp Gruppe inzwischen gelöscht war. Darüber hinaus liegt es auch nicht nahe, mittels einer Durchsuchung des Inhalts des Smartphones der Beschuldigten zu Erkenntnissen zu gelangen, dass ein Besitzwille gegeben war. Dies könnte insbesondere nur der Fall sein, wenn die Beschuldigte beispielsweise die Videos bewusst weitergeleitet hätte oder eine Vielzahl tatbestandsmäßiger Schriften festgestellt werden könnte. Hierfür ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte, da der Whatsapp-Chat anderen Zwecken diente und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte Interesse an kinderpornographischem Material hat. Demnach sind die Erfolgsaussichten der Durchsuchung für die erfolgreiche Aufklärung eines strafbaren Verhaltens des Beschuldigten gering. Hingegen wiegt der Grundrechtseingriff sehr schwer, da die Durchsuchung die Durchsicht des Medieninhalts des gesamten Smartphones des Beschuldigten erfordern würde. Hierdurch wird nicht nur in das Grundrecht auf Wohnung aus Art. 12 GG eingegriffen, sondern es handelt sich darüber hinaus auch noch um einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da sich auf dem privaten Smartphone typischerweise Medien befinden, die das Privatleben des Besitzers umfassend dokumentieren.

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Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 81b 2. Alt. StPO

Wiederholungsgefahr

Verwaltungsgericht Cottbus, 3. Kammer
Az. 3 L 401/21

Das die rechtliche Würdigung der Wiederholungsgefahr immer wieder zu Problemen führt, dürfte klar sein. Auf der einen Seite steht die Ermittlungsbehörde, die einem bestimmten Tatverdacht nachgeht – auf der anderen Seite steht ein Betroffener, der auf sein Recht der Unschuldsvermutung verweist. Hier ist immer Fingerspitzengefühl gefragt, wenn man in eine juristische Auseinandersetzung startet. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat sich in der näheren Vergangenheit dazu wie folgt geäußert: 

Mit Blick auf die Anlasstat geht der Antragsgegner (Polizei) davon aus, eine solche bestünde für den Tatbestand des Erwerbs und Besitzes kinderpornografischer Schriften und wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Seine Einschätzung, dass nach sachgerechter und vertretbarer kriminalistischer Erfahrung tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, der Antragsteller könne als Beschuldigter eines Sexualdelikts künftig in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einer aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen könne dann ermittlungsfördernd sein, erweist sich als zutreffend. Insoweit teilt das Gericht die Erwägung, dass bei einem Sexualdelikt regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters auszugehen ist und damit eine signifikant höhere Rückfallgefahr bergen, wenn nicht die Tatumstände und alle weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende Einmaligkeit der Tat hindeuten (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 13. März 2009 – 3 B 34.09; Bayerischer VGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 10 C 15.304OVG Sachsen, Beschluss vom 8. Juli 2015 – 3 D 33/15 ; Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2018 – 3 L 95/18). Insoweit ist – wie auch in der Anordnung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen hervorgehoben – zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in einem Chat mitgeteilt haben soll, mit seinen drei Nichten im Alter von neun und elf Jahren intensiv gekuschelt und „schon mehr versucht“ zu haben. Auch ist einzustellen, dass gegen den Antragsteller ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, in dem ihm zur Last gelegt wird, seine inzwischen erwachsene Großnichte, Frau B …, im Alter von sieben oder acht Jahren in die Hose gefasst und mehrfach seinen Fuß zwischen ihre Beine geschoben zu haben. Dies bestärkt die Annahme, dass der Antragsteller fortgesetzt bestrebt war bzw. ist, seinen pädophilen Neigungen und seiner Veranlagung nachzugehen.

Die Kammer macht deutlich, dass auch sachverhaltsfremde Aspekte eine große Rolle für die Einschätzung einer Wiederholungsgefahr spielen. Gerade Chatverläufe können hier ausschlaggebend sein. Als Fachanwälte für Strafrecht muss man sorgfältig abwägen, inwiefern Rechtsmittel in gewissen Bereichen Sinn machen, oder eben nicht. Im Ergebnis sollte der Mandant nicht unnötig durch weitere Verfahren stigmatisiert werden. Allerdings muss man auch gewissenhaft jede angeordnete Maßnahme der Polizei hinterfragen. Nur all zu oft stellen wir fest, dass solche Anordnungen schon alleine aus einer “Reflexhandlung” heraus seitens der Behörde getroffen wurden. 

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