Verdacht: Der Beschuldigte ist verdächtig...

Der Anfangsverdacht und seine Folgen

Lautet der Tatverdacht auf Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriftengemäß § 184b StGB, findet so gut wie immer eine Durchsuchung statt. Ein Ermittlungsrichter hat einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, der die Rechtmäßigkeit der Maßnahme belegen soll. In diesem Beschluss wird dem Beschuldigten erklärt, wieso eben diese Maßnahme in dem konkreten Fall angewendet wird. An dieser Stelle werden dann von dem Betroffenen oftmals keine Fragen gestellt, man lässt die Durchsuchung über sich ergehen. Es gibt aber Fallkonstellationen, wo sich ein genauer Blick auf die Begründung lohnt.

Zunächst muss man sich über die Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung Gedanken machen. Danach erklären wir anhand eines Fallbeispiels, dass ein Durchsuchungsbeschluss auch fehlerhaft sein kann. 

Grundsätzlich gilt:

Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlung in Betracht kommenden Durchsuchung gemäß § 102 StPO reicht der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht aus, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999). Ein erhöhter Verdachtsgrad ist nicht erforderlich. Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Artikel 13 Abs. 1 GG erfährt die räumlichen Lebenssphäre des Einzelnen allerdings einen besonderen grundrechtlichen Schutz. Das Gewicht des Eingriffs verlangt daher Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2014, Az. 2 BvR 974/12).

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Worauf beruht der Verdacht eigentlich?

Als Beschuldigter fragt man sich häufig, welchen Tatverdacht die Polizei hat, bzw. wie sie diesen begründet. Man liest dann in dem Durchsuchungsbeschluss etwas von einem Anfangsverdacht bzw. dem allgemeinen Hinweis, dass man verdächtig sei.

Wie definiert man einen solkchen Anfangsverdacht im Hinblick auf § 184b StGB?  

Anfangsverdacht:

Ein Anfangsverdacht kann grundsätzlich auch aus legalem Verhalten erwachsen, falls weitere Umstände hinzutreten (BVerfG, Beschluss vom 15. August 2014, Az. 2 BvR 969/14, LG Regensburg, Beschluss vom 10. Oktober 2014, Az. 2 Qs 41/14).  Ein solcher Umstand kann unter anderem in einem kriminalistischen Erfahrungssatz liegen. Erforderlich ist jedoch insoweit, dass der kriminalistische Erfahrungssatz im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bezogen auf das jeweilige Delikt hinreichend konkretisiert ist – sei es durch die eigene forensische Erfahrung der Kammer oder durch sich aus den Ermittlungen ergebene Umständen (LG Limburg, Beschluss vom 3. Februar 2015, Az. 1 QS 160/14).

Ein Anfangsverdacht lässt sich für die Ermittlungsbehörde (also Polzei bzw. Staatsanwaltschaft) also schnell herleiten. Zur Begründung wird hier in aller Regel ausgeführt:

Kriminalistischer Erfahrungssatz:

Es besteht Veranlassung zu der Vermutung, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führen wird, nämlich kinderpornographischer Schriften, gespeichert auf Medien des Beschuldigten, insbesondere Computeranlagen, Disketten, CD-R, Videokassetten .

Der Verhältnismäßigkeitsgerundsatz

Die Maßnahme der Durchsuchung muss auch verhältnismäßig sein. Dazu heißt es in dem Durchsuchungsbeschluss oftmals kurz und knapp:

Die Anordnung der Durchsuchung in dem vorgenannten Umfang ist im Hinblick auf den Tatvorwurf und die Stärke des Tatverdachts verhältnismäßig, insbesondere sind mildere Maßnahmen beim derzeitigen Ermittlungsstand nicht ersichtlich.

Problem: Tatsächliche Anhaltspunkte

Die tatsächlichen Anhaltspunkte für den Tatverdacht lassen sich nicht allgemein formulieren. Hier kommt es auf die Besonderheiten des Falles an. Umso wichtiger ist es hier für einen Rechtsanwalt, eben diese Besonderheiten der Durchsuchungsanordnung zu hinterfragen. Es ist das gute Recht des Beschuldigten, jede Anordnung eines Richters zu hinterfragen. Die Praxis zeigt immer wieder, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung im Ergebnis nicht von dem Gericht hätte erlassen werden dürfen.

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Fallbeispiel: Mit Fachwissen Fehler aufdecken

Straftatverdacht bei Bildern von nackten Jungen auf dem Handy

Der Beschuldigte zeigte einem Dritten Urlaubsfotos auf dem Handy. Dabei habe er versehentlich eine falsche Datei auf seinem Smartphone angeklickt. Der Zeuge habe so sehen können, dass der Beschuldigte Bilder von nackten Jungen auf seinem Telefon gespeichert habe. Das Alter dieser nackten Jungen schätzte er auf ca. 7 bis 10 Jahre. Sexuelle Handlungen habe er nicht sehen können. Weitere Angaben dazu, was genau auf den Fotos zu sehen war, machte der Zeuge nicht. Der Beschuldigte sei auch nachdem er bemerkt habe, dass er offensichtlich den falschen Ordner geöffnet hatte, ganz ruhig geblieben und habe sich “nichts anmerken lassen”. Dieser Vorfall habe den Zeugen  in der Folge länger beschäftigt. Er habe sich jedoch erst jetzt – sechs Monate später – aufgrund der in der Presse publizierten Vorfälle von Kinderpornographie entschlossen, zur Polizei zu gehen.

Auf Grundlage dieses Sachverhaltes ordnete das Amtsgericht zunächst die Durchsuchung der Person, Wohnung und der sonstigen Räume einschließlich der dazugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Kraftfahrzeuge und Garagen bei dem Beschuldigten an. Die Durchsuchung wurde im Anschluss  durchgeführt und führte nicht zum Auffinden von Beweismitteln.

Problem: Kein tatsächlicher Anhaltspunkt für konkreten Tatverdacht

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten für einen solchen konkreten Verdacht, dass eine Straftat, etwa der Besitz von kinderpornographischen Inhalten gemäß § 184 b Abs. 3 StGB, begangen worden ist. Lediglich die Tatsache, dass der Beschuldigte Fotos von nackten Jungen auf seinem Smartphone gespeichert hat, reicht hierfür nicht aus, zumal sexuelle Handlungen offenbar auch nicht zu sehen waren. Ob ein Fall des sog. “Posens” gem. § 184 b Abs. 1 Nr. 1b) StGB vorliegt oder eine sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien eines Kindes gemäß § 184 b Abs. 1 Nr. 1 lit.c) StGB kann anhand der rudimentären Angaben des Zeugen nicht beurteilt werden.

Auch sind weitere Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich, welche aus einem kriminalistischen Erfahrungssatz eine strafbare Handlung anzunehmen ist. Der Beschuldigte hat auf die – vermeintlich ungewollte – Offenbarung der Fotos gegenüber dem Zeugen nicht auffällig reagiert. Vielmehr teilte der Zeuge mit, der Beschuldigte habe sich “nichts anmerken lassen” und sei ganz ruhig geblieben.

Problem: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wären auch vor dem Hintergrund der zwischen “Entdeckung” der Fotos auf dem Smartphone des Beschuldigten und der mit der Beschwerde angegriffenen Durchsuchungsanordnung liegenden beträchtlichen Zeitspanne noch andere, weniger einschneidende – den Ermittlungszweck auch nicht gefährdende – Maßnahmen zur Erhärtung bzw. zum Erreichen eines höheren Verdachtsgrades zu ergreifen gewesen (siehe dazu BVerfG 11. Februar 2015, Az. 2 BvR 1694/14). So wäre eine Nachvernehmung des Zeugen denkbar gewesen über den genauen Inhalt und die Anzahl der fraglichen Fotos oder die Einholung behördlicher Auskünfte zu den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten.

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