Whatsapp Gruppe: Videos und Bilder; Lesebestätigung

Anfangsverdacht und Zulässigkeit einer Wohnungsdurchsuchung

Eine Whatsapp Gruppe kann für den einzelnen Teilnehmer schnell zur Gefahr werden. In dem von dem Gericht zu entscheidenden Fall gerieten Teilnehmer einer Whatsapp Gruppe – die dem Austausch von Musikdateien dient – mit mehr als 700 häufig wechselnden Teilnehmern in das Visier der Ermittler.

An zwei Tagen sollen in dem Chat Teilnehmer Videos mit kinderpornografischem Inhalt verbreitet haben. Der Beschuldigte war Teilnehmer dieser Whatsapp Gruppe und hat die Nachrichten mit den entsprechenden Videos empfangen, eine ablehnende Äußerung ist nicht erfolgt.

Liegt ein Anfangsverdacht vor?

Es gibt sich kein ausreichender Anfangsverdacht für den Besitz kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b StGB. Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Grundrechts auf Wohnung aus Art. 13 GG genügen vage Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten nicht, sondern es bedarf konkreter Verdachtsmomente. Insbesondere begründet legales Verhalten nur bei zusätzlichen weiteren Anhaltspunkten für strafbares Verhalten Anlass für eine Durchsuchung (BVerfG NJW 2014, 3085). Der Anfangsverdacht muss sich dabei auf die Verwirklichung des gesamten Tatbestands, also nicht nur auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands, beziehen.

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Der Besitzwille ist entscheident

Dieser Sachverhalt begründet zwar den Anfangsverdacht hinsichtlich des objektiven Tatbestands des § 184b Abs. 2 StGB in der Variante des Besitzes einer kinderpornographischen Schrift, nicht hingegen hinsichtlich der subjektiven Seite, nämlich des erforderlichen Besitzwillens . Um diesbezüglich den Anfangsverdacht zu begründen, bedarf es Anhaltspunkte dafür, dass der Teilnehmer des Gruppenchats tatsächlich von der Nachricht Kenntnis genommen hat, also sich aus den beim Sender feststellbaren Lesebestätigungen ergibt, dass die jeweiligen Nachrichten in dem Gruppenchat regelmäßig zeitnah gelesen worden sind. Zahlreiche Menschen sind heute Mitglieder vieler Whatsapp Gruppen, die sie erfahrungsgemäß kaum nutzen. So existieren neben Klassenchats Whatsapp-Gruppen von Sportvereinen oder zur Organisation von GPS-gestützten Spielen. Es entspricht dem typischen Kommunikationsverhalten in diesen Gruppen, die Benachrichtigung des Eingangs neuer Nachrichten stumm zu schalten und auch für längere Zeit die eingehenden Nachrichten nicht zu lesen, sondern erst dann aktiv den Gruppeninhalt zu betrachten, wenn ein Kommunikationsanlass besteht. Demnach würde sich auch aus einer Lesebestätigung allein noch nicht der Anfangsverdacht eines Besitzwillens ergeben, wenn diese nicht zeitnah und regelmäßig erfolgen. Denn auch wenn jemand nach mehreren Monaten erstmals wieder auf einen Gruppenchat zugreift, erfolgt eine automatische Lesebestätigung aller in der Zwischenzeit eingegangenen Nachrichten, obwohl es der Lebenserfahrung entspricht, dass diese Nachrichten tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen worden sind.

Der Teilnehmer einer Whatsapp Gruppe mit mehr als 700 häufig wechselnden Teilnehmern, der die Nachrichten mit den entsprechenden Videos empfangen hat, muss, damit der Anfangsverdacht gegeben ist, einen erforderlichen Besitzerwillen gezeigt haben. Der Teilnehmer des Gruppenchats muss tatsächlich von der Nachricht Kenntnis genommen hat, d.h. es muss sich aus den beim Sender feststellbaren Lesebestätigungen ergeben, dass die jeweiligen Nachrichten in dem Gruppenchat regelmäßig zeitnah gelesen worden sind.

Der Verhältnismäßigkeitsgerundsatz

Darüber hinaus muss eine Durchsuchung selbst bei Vorliegen eines Anfangsverdachts verhältnismäßig sein. Hierzu gehört insbesondere, dass sie mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck erfolgversprechend ist. Insbesondere bedarf es dabei einer Abwägung der Erfolgsaussichten mit der Schwere des Grundrechtseingriffs. Die Erfolgsaussichten des Auffindens von Beweismitteln waren hier als gering einzuschätzen. Der Vorgang lag schon mehr als ein Jahr zurück, es spricht also schon einiges dafür, dass der Chatinhalt in der Whatsapp Gruppe inzwischen gelöscht war. Darüber hinaus liegt es auch nicht nahe, mittels einer Durchsuchung des Inhalts des Smartphones der Beschuldigten zu Erkenntnissen zu gelangen, dass ein Besitzwille gegeben war. Dies könnte insbesondere nur der Fall sein, wenn die Beschuldigte beispielsweise die Videos bewusst weitergeleitet hätte oder eine Vielzahl tatbestandsmäßiger Schriften festgestellt werden könnte. Hierfür ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte, da der Whatsapp-Chat anderen Zwecken diente und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte Interesse an kinderpornographischem Material hat. Demnach sind die Erfolgsaussichten der Durchsuchung für die erfolgreiche Aufklärung eines strafbaren Verhaltens des Beschuldigten gering. Hingegen wiegt der Grundrechtseingriff sehr schwer, da die Durchsuchung die Durchsicht des Medieninhalts des gesamten Smartphones des Beschuldigten erfordern würde. Hierdurch wird nicht nur in das Grundrecht auf Wohnung aus Art. 12 GG eingegriffen, sondern es handelt sich darüber hinaus auch noch um einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, da sich auf dem privaten Smartphone typischerweise Medien befinden, die das Privatleben des Besitzers umfassend dokumentieren.

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Mitgliedschaft in Whatsapp-Gruppen

Gerade in dem Bereich von Whatsapp-Gruppen kommt man als tatsächlich völlig unbescholtener Bürger schnell in eine Situation, die heikel werden kann. Ehe man sich versieht, hat ein Ermittlungsrichter den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung der Wohnräume und die Sicherstellung des Handys unterschrieben .

An dieser Stelle muss man als Rechtsanwalt die genauen Hintergünde des Tatvorwurfes herausarbeiten und gegebenenfalls im Wege einer Schutzschrift der Staatsanwaltschaft mitteilen, dass die Maßnahme der Durchsuchung fehlerhaft war. Im weiteren Schritt schafft man dann als Verteidiger den Tatverdacht aus der Welt. 

Dazu stellte in dem vorliegenden Sachverhalt auch nochmal das Gericht klar:

Abschließend sei nochmals betont, dass die Mitgliedschaft in stumm geschalteten Whatsapp-Gruppen, die nur anlassbezogen genutzt werden und deren Inhalte im Übrigen nicht zur Kenntnis genommen werden, heute allgemein gesellschaftlich üblich sind. Weite Teile der Bevölkerung sind Mitglieder von Chatgruppen von Vereinen, Hobbygemeinschaften, Selbsthilfegruppen oder ähnlichen und bleiben hier auch Mitglied, wenn die Gruppe aktuell kaum genutzt wird. Wenn man es für eine Durchsuchung bei anderen Teilnehmern des Gruppenchats ausreichen ließe, dass ein anderer Nutzer kinderpornographisches Bildmaterial in die Gruppe hochgeladen hat und sich hierauf nicht ablehnend geäußert hat, ergäbe sich bei einer Vielzahl von Personen, die keinerlei Interesse an Kinderpornographie gezeigt haben, die Möglichkeit von Wohnungsdurchsuchungen und Durchsicht des Inhalts von Smartphones. Es handelt sich hierbei offensichtlich um eine Durchsuchung, die nicht auf dem Anfangsverdacht einer Straftat nach § 184b Abs. 2 StGB beruht, sondern dem Zweck dient, zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht vorliegt oder nicht. Derartig weitreichende Durchsuchungsanordnungen sind aber mit Art. 13 GG und Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG unvereinbar.

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