Ein Strafverfahren wegen Kinderpornographie kann weitreichende Folgen haben. In manchen Berufsgruppen droht sogar der Verlust der Zulassung. In den Fokus geraten hier immer wieder Ärzte. Bei einem Arzt besteht die Gefahr, dass die Approbation entzogen wird. Aus aktuellem Anlass widmen wir uns einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg.
Der Fall:
Nach vorangegangenen strafrechtlichen Ermittlungen im Vorfeld kam es am 23. April 2013 zu einer Durchsuchung der Wohnung des Arztes, bei der auf seinem PC, seinem Laptop und seiner Festplatte insgesamt mindestens 2.717 Dateien mit Fotos und 23 Dateien mit entsprechenden Videos vorhanden waren, die den sexuellen Missbrauch unter 14 Jahre alter Mädchen und Jungen durch Erwachsene in grob anreißerischer (pornografischer) Weise darstellten. Die weitere Ermittlungstätigkeit und strafrechtliche Verfolgung endeten zunächst im Urteil des Amtsgerichts Leer vom 13. Oktober 2015 – 6a Ds 3584 Js 17053/13 (292/15) -, mit dem der Arzt wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften (unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde.
Problem: “MiStra” Nr. 26
Was bedeutet MiStra? Nun, MiStra ist eine Abkürzung und steht für Mitteilung in Strafsachen. Es handelt sich dabei um eine Verwaltungsvorschrift. In dieser Vorschrift wird geregelt, in welchen Sachverhalten und in welchem Umfang Strafgerichte bzw. Staatsanwälte Informationen aus laufenden und abgeschlossenen Strafverfahren an Dritte weitergeben dürfen. Es handelt sich also um eine gesetzliche Mitteilungspflicht.
Bezogen auf den vorgenannten Fall passierte nämlich folgendes:
Am 22. Dezember 2017 ging bei Ärztekammer die „Mistra Nr. 26“ der Staatsanwaltschaft Hannover über die Verurteilung des Arztes ein, woraufhin die Ärztekammer zunächst durch Anforderung der Strafakten das auf den Widerruf der Approbation des Arztes gerichtete Verwaltungsverfahren eröffnete.
Anhörung zum Entzug der Approbation:
Mit Schreiben vom 8. April 2019 hörte die Ärztekammer den Arzt zu seiner Absicht an, die ihm erteilte Approbation zu widerrufen. Dort heißt es, dass auf die strafgerichtliche Verurteilung, insbesondere hinsichtlich des Sachverhaltes im Urteil des Amtsgerichts, Bezug genommen werde, ohne eigene Sachverhaltsermittlungen anzustellen. Daraus folge jedenfalls die Unwürdigkeit des Arztes zur Ausübung des ärztlichen Berufs, weil die abgeurteilte Straftat geeignet sei, das Ansehen und Vertrauen in den ärztlichen Berufsstand zu zerstören. Bei Vorliegen der zutage getretenen charakterlichen Mängel könne er Respektierung und Achtung als Kollege seitens seines Berufsstandes nicht mehr erwarten. Seine Taten seien geeignet, einen Vertrauens- und Ansehensverlust der gesamten Ärzteschaft herbeizuführen, was nicht hingenommen werden könne. Auch sei die Würdigkeit nicht etwa angesichts der Zeitabläufe bereits wiederhergestellt. Hier sei ein Reifeprozess von regelmäßig mindestens 5 bzw. 8 Jahren erforderlich, aber nicht alleine ausreichend. Zwar habe es sich hier um Taten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises gehandelt, aber das Tatunrecht gebiete hier ein Mindestmaß von acht Jahren als Reifeprozess. Außerdem sei dem Zeitraum seit Begehung der Tat bis zur Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Aurich kein besonderer Wert beizumessen, da der Kläger insoweit unter dem Druck des strafrechtlichen Verfahrens Wohlverhalten gezeigt habe.
Der Arzt wehrte sich vergebens gegen den Entzug der Approbation. Mit Bescheid vom 28. Juni 2019 erfolgte der Widerruf der Approbation.
Jetzt musste das Verwaltungsgericht entscheiden, ob diese Maßnahme rechtens war.
Entscheidung des Verwaltungsgerichts:
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2019 und damit der Widerruf der Approbation des Arztes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weshalb die Anfechtungsklage unbegründet und abzuweisen ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für diese Entscheidung:
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 5 Abs. 2 Satz 1 Bundesärzteordnung (BÄO). Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich eine Voraussetzung für ihre Erteilung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist, d.h. wenn sich der Betroffene nach Erteilung der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt. Die Voraussetzungen sind erfüllt.
Genauere Begründung:
Beim Widerruf einer Approbation handelt es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl; denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern auch die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 – 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105-124). Diese Entscheidungsfreiheit wird dem Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen.
Ein solcher Eingriff ist als subjektive Berufszulassungsvoraussetzung nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. April 2012 – 8 LA 45/11 – juris). Der Widerruf ist nur dann gerechtfertigt, wenn der mit dem Ausschluss des Betroffenen von einer weiteren Berufsausübung bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 – 3 B 61/10 -, juris). Dieser Anforderung ist grundsätzlich genügt, wenn die Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs, die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO Voraussetzung für die Erteilung der Approbation sind, nachträglich weggefallen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 – 3 C 12/95 -, BVerwGE 105, 214-223).
In diesem Fall ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – 3 C 22/09 -, BVerwGE 137, 1-10; zum Vorstehenden insgesamt BayVGH, Urteil vom 8. November 2011 – 21 B 10.1543 -, juris). Die Begriffe der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit sind allerdings als tatbestandliche Voraussetzungen eines weitreichenden Grundrechtseingriffs im Lichte des Art. 12 GG auszulegen und anzuwenden. Ein Berufsverbot greift regelmäßig tief in das Recht der freien Berufswahl und zugleich in die private und familiäre Existenz ein. Es kann Lebenspläne von Betroffenen zunichtemachen, die von Berufen ausgeschlossen werden, für die sie sich ausgebildet und die sie für sich und ihre Angehörigen zur Grundlage der Lebensführung gemacht haben. Solche Einschränkungen sind verfassungsrechtlich nur statthaft, wenn und solange sie zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sind. In diesem Zusammenhang darf insbesondere die Fähigkeit des Menschen zur Änderung und Resozialisierung nicht außer Acht gelassen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. April 1984 – 1 BvR 276/83 -, BVerfGE 66, 331-337, und Beschluss vom 26. Februar 1986 – 1 BvL 12/85 -, BVerfGE 72, 51-65; BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 – 3 C 37/01 -, juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Widerrufsvoraussetzungen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 B 6.11 -, juris).
Aus einer begangenen Straftat kann auf die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs insbesondere dann zu schließen sein, wenn sie mit der Verletzung spezifisch ärztlicher Berufspflichten einhergegangen ist, weil das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Ärzteschaft sich auch darauf bezieht, dass die berufsspezifischen Anforderungen an ärztliches Verhalten eingehalten werden. Bedeutsam sind aber auch eine zuvor einwandfreie Tätigkeit sowie das Verhalten nach der Tat. Je geringer im Übrigen der Strafvorwurf ist, der der Feststellung der Unwürdigkeit zugrunde liegt, desto eher muss der erlittene Vertrauensverlust mit zunehmender Zeitdauer als geheilt angesehen werden. Soweit es – wie hier – um die Unwürdigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO geht, können mithin veränderte Umstände nicht in Hinblick auf eine zu erstellende Prognose, wohl aber im Rahmen einer zur Feststellung des Tatbestandsmerkmals vorzunehmenden Abwägung Berücksichtigung finden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 31. März 2004 – 1 V 309/04 -, juris). Diese Grundsätze zur Erforderlichkeit einer Prognose im Falle des Widerrufs einer Approbation wegen Unwürdigkeit finden auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 2010 (Az 1 BvR 2709/09) weiter Anwendung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21. Mai 2013 – 8 LA 54/13 -).
Nach diesen Maßstäben hat sich der Arzt im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides eines sehr schwerwiegenden Fehlverhaltens schuldig gemacht, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs unmittelbar ergibt.
Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184b StGB), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 -).
Fazit: Vorausschauende Verteidigung notwendig
Haben Sie alle, aber auch wirklich alle Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung im Blick. Andernfalls kann Ihnen Ihre Existenzgrundlage entzogen werden.